aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (3708)

geschrieben am 03. Juni 2004 20:25:37:

Die Gestalt der Gastrozentrumsuniversität Leipzig

Zum LVZ-Beitrag "Neuer Uni-Campus nimmt Gestalt an" vom 29.05.2004

Auch am "Geisteswissenschaftlichen Zentrum" gibt es eine Gedenktafel. Diese soll an das zweite Gewandhaus erinnern. Zwar fehlt darauf das Mendelssohn-Denkmal, was eigentlich symbolisch dargestellt sein müßte, aber es ist nicht so geschichtsfälschend wie die Tafel am Hauptgebäude der Universität. Jedenfalls entsinne ich mich noch, wie Herr Prof. Bigl zur Enthüllung der Tafel im vergangenen Jahr sagte, daß diese nun für die nächsten Jahrhunderte dort hängen werde.

Das war zu einem Zeitpunkt, als von den Studenten bereits längst der Begriff "Bildungsknast" für dieses Gebäude geprägt war. Da ich gegenüber wohnte und direkt sah, daß wohl etwas mit der Planung nicht stimmte, wenn diverse Räume gar nicht oder kaum genutzt wurden und dafür ein anderer irgendwie nicht ausreichte, wies ich den Kanzler der Universität darauf hin, ohne Antwort zu bekommen.

Um nun auf die Qualität der Hochschulplanung zurückzukommen, so habe ich den Werdegang des Hauses nicht nur von außen im Bild festgehalten, sondern konnte bereits vor Eröffnung eine Führung mit dem "schwärmenden" Herrn Engel erleben. Natürlich habe ich nichts gegen "Schwärmer". Aber hier werden 104 Millionen Euro (!) Steuermittel beansprucht.

Man vergleiche: Das Bildermuseum sollte im Jahre 2002 mit einem Kostenaufwand von 58,1 Millionen Euro eingeweiht werden und kostet bereits jetzt 73,5 Millionen Euro, ohne daß es eröffnet ist. Anstatt eines "Gläsernen Diamanten" sieht der Bürger im Stadtbild ein betonisiertes Millionengrab - mittlerweile mit Werbeflächen gehübscht.

Das ist auch der Anknüpfungspunkt für den "Uni-Campus", der "Gestalt" annimmt, wo der Herr Engel mal bei der Mensa anfangen will und Probleme kooperativ löst, wenn sich welche "herauskristallisieren".

Das Problem ist nur: Wenn man diese überhaupt nicht bedacht hat und auch nicht sehen will, - wie wir aus den Diskussionen der letzten Jahre miterleben mußten - was hat dann das Dezernat Planung und Technik der Universität Leipzig in den letzten Jahren geleistet?

Wieso gibt es plötzlich offene Grundstücksfragen, wenn dieses eigentlich schon längst vor den Wettbewerben 2001 hätte abgeklärt werden müssen? Wo ist das integrierte Konzept für den vorderen Teil der Schillerstraße mit der Sanierung der Moritzbastei (ehemalige Bürgerschule)?

Warum will man unbedingt an den nachweislich sich als unpraktikabel erwiesenen und verschlissenen "Fröhlich-Bauten" "andocken"? Ist diese Katastrophe nicht groß genug?

Und nun will man mit einem Teil des Geländes beginnen, der im kritisierten Wettbewerbsverfahren von Jahre 2001 von den Leipziger Bürger praktisch "in der Luft zerrissen wurde", ohne daß darüber hinaus eine öffentliche Diskussion stattfand.

Ist es überhaupt gerechtfertigt bzw. erlaubt, eine derartige Planung als "Masterplan" zu titulieren?

Freilich klingt es toll, daß die Universität endlich ein Gastrozentrum bekommt. Selbst Begriffe wie Cafeteria und Erlebnisgastronomie lassen bestimmt das Herz jedes Lesers höher schlagen. Doch funktioniert denn dann überhaupt die verbal geschwärmte Funktionalität, wo bereits die Fehler vom "Geisteswissenschaftlichen Zentrum" ignoriert werden? Soll hier "europäische Architektur" entstehen, wie sie keine 300 Meter weiter von Herrn Kunstwissenschaftler und Universitätsprofessor Thomas Topfstedt mit dem Bowlingtreff beschworen wurde? Dann kann doch gleich Geld gespart und dieses wieder ausgebaut werden. Da hat man mehr innerstädtischen Raum für Lehre und Forschung. Und das Rechenzentrum und vielleicht auch die Informatik bekommen dringend benötigten Platz, wo sie kostenschonende wie zukunftsträchtige Open-Source-Strategien entwickeln können. Und das Uni-Radio muß nicht irgendwo in der Mensa abgefüttert werden.

Fragen über Fragen.

Probleme über Probleme.

Aber dies sieht ein Herr Engel nicht, wenn er Planungsunterlagen aus dem Schrank nimmt oder vor Dienstschluß dort wieder verstaut. Fest soll nur stehen, daß man pünktlich feiert. Bäume abzuholzen und Bauschilder aufzustellen, ist schon mal ein weithin sichtbarer Anfang. Man assoziiert Ringelnatz mit den Ameisen, die nach Amerika reisen wollten.

Nur - die Ameisen taten es von sich aus, die derzeitigen Planer nur auf Steuerkosten. Und am Ende landet man so nicht bei den gesteckten Fernzielen, sondern in tiefer Provinzialität, fernab vom Niveau der geschichtsträchtigen Universität Leipzig.