aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (6630)

geschrieben am 09. Januar 2006 19:03:59:

Re: Wo befindet sich das Grab von Gottsched? Und das von Hiller?

Als Antwort auf: Wo befindet sich das Grab von Gottsched? Und das von Hiller? geschrieben von Henrike Dietze am 09. Januar 2006 13:26:44:

Bezüglich des Grabes von Gottsched und seiner zweiten Frau empfehle ich Ihnen, sich in die entsprechenden Archive zu begeben, um dies zu ermitteln.

Bezüglich Johann Adam Hiller kann ich feststellen, daß dieser nicht in die Universitätskirche hätte umgebettet werden können, weil zu diesem Zeitpunkt keine Begräbnisse mehr in der Universitätskirche St. Pauli stattfanden.

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aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (6635)

geschrieben am 10. Januar 2006 02:52:21:

Re: Wo befindet sich das Grab von Gottsched? Und das von Hiller?

Als Antwort auf: Re: Wo befindet sich das Grab von Gottsched? Und das von Hiller? geschrieben von Henrike Dietze am 09. Januar 2006 19:29:07:

Sehr geehrte Frau Dr. Dietze,

z.B. haben Sie gleich in Ihrer Nähe eine wunderbare Bibliothek im Stadtgeschichtlichen Museum, wo ausreichend Chroniken, Intelligenzblätter und nicht ausgewertete Konvolute existieren, die auf Leser warten! Die engagierten Mitarbeiter dort beraten Sie sicher gern.

Den Gurlitt, den ich u.a. digitalisiert habe (http://www.paulinerkirche.org/gurlitt.html), gibt es dort auch - seit über 80 Jahren ungelesen, weil die Seiten nicht aufgeschnitten sind. Daher habe ich ihn mir über Internet bestellt. Und so werden Sie bestimmt reichlich Material finden, was noch nicht ausgewertet wurde. Einige Leser werden sich bestimmt freuen, wenn Sie sich mehr den Quellen aus erster Hand zuwenden...

Also ich sag mal so, Sie sind hiermit zum Quellenstudium delegiert. :o)

Natürlich können Sie auch in der Universitätsbibliothek, im Stadtarchiv oder im regionalgeschichtlichen Teil der Stadtbibliothek fündig werden...

Hinsichtlich der "Verschwundenen" bitte ich um Geduld und das Belassen der jeweiligen Arbeitsstände. Hier kommt noch sehr viel... Das werde ich gelegentlich etwas ausführlicher erläutern.

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aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (6732.htm)

geschrieben am 17. Januar 2006 18:56:41:

Gottsched / Der Goldene Bär

Nur einmal nebenbei für dieses Forum sei bemerkt, daß nicht nur die Universitätskirche St. Pauli unter die Geschichtsverleugnung und Geschichtsklitterung der gegenwärtigen Universitätsleitung und ihrer noch immer einflußreichen DDR-Nomenklaturkader fällt. Auch das Ansehen Goethes, Gottscheds und vieler anderer Persönlichkeiten der Literatur- und Wissenschaftsgeschichte wird geschmälert, da in den unwürdigen und untauglichen Wettbewerbsgrundlagen im Jahre 2001 auch der Goldene Bär gezielt unterschlagen wurde.

Man lese öfters mal Goethe...

Unsern Besuch bei Gottsched darf ich nicht übergehen, indem die Sinnes- und Sittenweise dieses Mannes daraus hervortritt. Er wohnte sehr anständig in dem ersten Stocke des goldenen Bären, wo ihm der Buchhändler Breitkopf wegen der großen Vortheile, die die Gottsched’schen Schriften, Uebersetzungen und sonstigen Assistenzen der Handlung gebracht, eine lebenslängliche Wohnung zugesagt hatte.

Wir ließen uns melden. Der Bediente führte uns in ein großes Zimmer, indem er sagte: der Herr werde gleich kommen. Ob wir nun eine Gebehrde, die er machte, nicht recht verstanden, wüßte ich nicht zu sagen. Genug, wir glaubten, er habe uns in das anstoßende Zimmer gewiesen. Wir traten hinein zu einer sonderbaren Scene: denn in dem Augenblicke trat Gottsched, der große, breite, riesenhafte Mann, in einem gründamastenen, mit rothem Taft gefütterten Schlafrock zur entgegengesetzten Thüre herein; aber sein ungeheures Haupt war kahl und ohne Bedeckung. Dafür sollte jedoch sogleich gesorgt sein. Der Bediente sprang mit einer großen Allongeperücke auf der Hand (die Locken fielen bis an den Ellenbogen) zu einer Seitenthür herein, und reichte den Hauptschmuck seinem Herrn mit erschrockener Gebehrde. Gottsched, ohne den mindesten Verdruß zu äußern, hob mit der linken Hand die Perücke von dem Arm des Dieners, und indem er sie sehr geschickt auf den Kopf schwang, gab er mit seiner rechten Tatze dem armen Menschen eine Ohrfeige, sodaß dieser, wie es im Lustspiele zu geschehen pflegt, sich zur Thür hinauswirbelte, worauf der ansehnliche Altvater uns ganz gravitätisch zum Sopha nöthigte und einen ziemlich langen Discurs mit gutem Anstande durchführte.“

vgl. Johann Wolfgang von Goethe

Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit, zweiter Teil, siebentes Buch

http://www.wissen-im-netz.info/literatur/goethe/dichtung/07.htm

http://www.gutenberg.org/files/15213/15213-h/15213-h.htm

Weiter ist in der Allgemeinen Encyklopädie der Wissenschaften und Künste (F. A. Brockhaus) 1862 nachzulesen:

Es ist vorhin erwähnt worden, daß Gottsched im Hause des Buchhändlers Breitkopf wohnte. Seit seiner Verheirathung bis zu seinem Tode behauptete er diese Wohnung. Er war mit Breitkopf sehr befreundet, und hatte sich um dessen Druckerei manche Verdienste erworben, in welcher er so einheimisch war, daß er, als die Gräfin Brühl sie einst in Augenschein nahm, den Erklärer machte. Freilich geschah dies nicht ohne Absicht. Er hatte den Gedanken gefaßt, zum Jubiläum der Erfindung der Buchdruckerkunst in der Paulinerkirche eine Rede zu halten...“

Nebenbei bemerkt wäre auch noch zu untersuchen, wie oft und welche Reden Gottsched in der Universitätskirche hielt. Denn es sind vielleicht noch mehr als die zur Hochzeit der Königlichen Hoheiten am 10. Oktober 1747 und zu der Veranstaltung am 12. Mai 1730.

Übrigens verwendet bei letzterer Festlichkeit Gottsched nicht etwa den Begriff Paulinerkirche, sondern er schreibt

"öffentliche Feyer in der Academischen Kirche zu Leipzig"

Nachzulesen u.a. in der Gesamtausgabe von Gottscheds Werken.

Hier das Signum des Hauses

und eine seltene Aufnahme vom Neumarkt aus in die Kupfergasse. Links am Ende der Kupfergasse stand bis zu den Bombenangriffen der Goldnene Bär.