Aus der Rubrik Wissenschaftsunterdrückung:

Wegschauen. Totschweigen. Verdrängen.

Dr. Eva-Maria Stange*

unbeantwortet

Staatsministerin

Frau Dr. Eva-Maria Stange

Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst

Wigardstraße 17

01097 Dresden

Einführung von Leistungsnachweisen und Qualitätsmaßstäben zur Beendigung der Verschleuderung öffentlicher Gelder und Schädigung des Freistaates Sachsen durch Pervertierung von Web3D-Technologien und Behinderung wissenschaftlicher Erkenntnisse

Fälle

- Dresdner Betonschneisen- alias „Waldschlößchenbrücke“

- City-Tunnel Leipzig

- Wiederbebauungen für die Universität Leipzig in der Innenstadt

Leipzig, den 12. Juli 2007

Sehr geehrte Frau Dr. Stange,

nachdem ich am vergangenen Sonnabend wieder anhand einer öffentlichen Präsentation zu den Leipziger Universitätsbauten feststellen mußte, wie neue Technologien zur Verdummung der Bürger eingesetzt werden und weiter funktionsunfähige und scheußliche Modelle auf Kosten der Steuerzahler fabriziert werden, muß ich Ihnen einleitend kurz einige Erläuterungen geben.

Web3D-Technologien werden u.a. deshalb entwickelt, um in Echtzeit, maßstabsgerecht und multiuserfähig wieder verwendbare räumliche Modelle und Bewegungen zu entwickeln. Dies betrifft übergreifend alle Wissenschafts- und Technologiebereiche (!), einschließlich Meßmethodiken und Ereignisdarstellungen in den Modellen und ihrer Integrierbarkeit in real ablaufenden Prozessen. VRML (Virtual Reality Modeling Language) und weitere Web3D-Technologien sind daher von vielen Entwicklern, insbesondere in den USA, aber auch in Deutschland, ausdrücklich dafür geschaffen worden, damit eine freie Sprachbasis räumlicher Welten schnittstellenoffen mit Open Source über Internet entstehen und vervollkommnet werden kann.

Damit ist praktisch jeder, der Web3D-Technologien und Software nutzt, die diesen offenen weltweiten ISO-Standard exportieren kann, (u.a. CAD-Programme) gehalten, die Ergebnisse, insofern sie nicht direkt geheim sind oder produkt- bzw. patentschutzrechtliche Relevanz haben, öffentlich bereitzustellen, bei Bedarf unter Wahrung des Copyrights.

Dies liegt im Selbstverständnis der Web3D-Technologien, da wechselseitige Erkenntnisse und Fortschritte nur mit einer weltweiten Community fortgeschrieben werden können. Die Erfahrung lehrt, daß zahlreiche Versuche über einzelne Firmenmonopole (selbst bei Sony und Microsoft) scheitern mußten und neue Entwicklungen von Firmen gerade auf ein koordiniertes Handeln drängen (IFC-Standard), weil in hochkomplexen Anwendungsbereichen Entwicklerkosten massiv gesenkt werden können bei gleichzeitiger Erhöhung der Qualität.

Da Web3D-Technologien u.a. auch vielfältigste Möglichkeiten der Präsentation bieten, ist es durchaus richtig und konsequent, diese Anwendungen zu nutzen und zu erweitern.

Ins Gegenteil verkehrt sich das Ganze allerdings dann, wenn der Quellcode nicht freigegeben wird und die Präsentation z.B. nur als Foto, Montage oder rigide Bildabfolge (Flashfilm) erscheint. Damit verliert die Anwendung ihre Prüfbarkeit, sie ist nicht allgemein wiederverwendungsfähig, kann nicht weiterentwickelt werden, und sie ist in ihrem Zweck einseitig beschränkt.

Mit einem derartigen Vorgehen ist fast ausnahmslos erheblicher Schaden vorprogrammiert. Zum einen unterrichtet der Schadanwender den potentiellen Auftraggeber zumeist nicht über das Anliegen und die Möglichkeiten der Web3D-Technologien, sondern er biedert sich an, etwas „ganz Tolles“ darstellen zu können. Zum anderen braucht es einen Auftraggeber, der sich nicht adäquat der Komplexität der Materie stellt, sondern oft nur ein (wie auch immer geartetes) Ansinnen verfolgt. Diese Blauäugigkeit, jemandem zu trauen, wenn er vorgibt, etwas ganz Neues und Besonderes bieten zu können, ist bereits das Verhängnis für folgenschwere Schäden. Der Auftraggeber ist dem Schadanwender völlig ausgeliefert, weil er bei jeder kleinen Änderung auf diesen angewiesen ist und nicht frei handeln kann.

Zu den Beispielen

Mit einer Chemnitzer Firma wurde für 50.000 Euro ein Wettbewerb für einen Marktbrunnen in Chemnitz durchgeführt. Im Ergebnis stimmten die Stadträte folgerichtig gegen die Realisierung des 1. Preises. Dies ist nicht verwunderlich, weil die 3D-Modellierungen für städtebaulich relevante Sachverhalte so schlecht waren, daß diese Herangehensweise einfach nicht überzeugen konnte.

Diese Firma war es auch, die für die Leipziger Olympiabewerbung unter ominösen Umständen einen Auftrag für ein diesbezügliches Stadtmodell erhielt. Dieses Stadtmodell ist sicherlich auch mit erheblichen Fördergeldern finanziert worden. Es kam niemals online, nur oberflächliche Flashfilme wurden damit erstellt. Das Modell wurde unsinnigerweise mit einer 1,5 GByte Stadtkarte unterlegt und war damit praktisch tot. Deren Klötzchenwelt war derart oberflächlich, daß alles noch einmal neu gemacht werden müßte, falls es gebrauchsfähig werden sollte. Die städtebauliche Qualität der Stadt Leipzig kam damit in keinem Teil zum Ausdruck, maximal nur als oberflächliches Blendwerk.

Der Fall Dresdner Betonschneisen- alias „Waldschlößchenbrücke“

Da der Chemnitzer Schadanwender derart involviert war, daß er für die vorgesehenen Olympiasportstätten auch ein Modell für den Olympiastandort Dresden vorbereiten sollte, biederte er sich folglich nach dem Scheitern in die Auftragserheischung für ein Modell für die Dresdner Betonschneisen- bzw. „Waldschlößchenbrücke“ an. Auch hier wurde nur eine plumpe Animation als rigider Film bisher ins Netz gesetzt, der nur zum Ziel hatte, zur Verdummung der Dresdner Bürger die vorgesehene Brücke zu „hübschen“ und schmackhaft zu machen. Einige minimale Zeilenänderungen sollten primitiv Hoch- und Niedrigwasser der Elbe vorgaukeln.

Der Fall City-Tunnel Leipzig

In Verbindung mit der Leipziger Olympiabewerbung wurde auch eine Strecke vom geplanten Leipziger City-Tunnel simuliert. Auch hier hat das Ganze kaum etwas mit der Realität zu tun. Mit simplen Toneffekten wurde grobschlächtig eine geschönte Tunnelfahrt mit Haltestellen als Animation fabriziert, die immer noch in der Infobox zum City-Tunnel vorgeführt wird.

Der Fall Wiederbebauungen für Universität Leipzig in der Innenstadt

Am vergangenen Sonnabend konnte man brandaktuell die Vorstellungen des Architekten Erick van Egeraat in Zelt 14 beim „Campus 2007“ sehen, die er eigens für diese Veranstaltung geschaffen hat. Diese Diaabfolge muß näher erläutert werden, da sie nach Aussagen der Standbetreuer nicht online ist und einige neue, bisher unbekannte Bilder aufwies.

Zuerst sah man die leere „Aula“, wo nach drei Jahren steuermittelfinanzierter Auftragsarbeit die Sonne immer noch von Norden scheint und keinerlei Arbeitsfortschritt zu sehen war, wie Egeraat seinen, den Bürgern vorgeschwindelten Anspruch, Kultur zurückzubringen, weiter verfolgt hatte. Dem schlossen sich einige weitere kahle Raumansichten an, die er im Unterauftrag an Herrn Andreas Hummel weitergegeben hatte, ohne daß er dabei bis auf Äußerlichkeiten der Spezifik der Leipziger Universitätskirche St. Pauli näher kam. Obwohl Herr Hummel über mich die Pläne der Universitätskirche erhielt und ehemals von der Bürgerinitiative zum Wiederaufbau finanziell unterstützt wurde, wurde keinerlei Erkenntnisgewinn umgesetzt. Dies trifft auch auf die im Wettbewerb für van Egeraat von mir zur Verfügung gestellten, kulturhistorischen Dokumente zu, die er ohne Erlaubnis wieder verwendete.

Neben an dieser Stelle nicht näher zu erläuternden weiteren Fehlern, enthielt die Präsentation allerdings einige neue Ansichten, die es wert sind, angesprochen zu werden. Auffallend war zuerst die Innendarstellung des „Hörsaales“. Diese wie immer mit montierten, geschönten Personen im Raum, versinnbildlicht eine Tristesse und Langeweile, wo Hochregallager von Baumärkten bzw. mancher Parkplatz dagegen wirkt wie ein als Denkmal zu schützendes attraktives Gebäude. Wenn man hier den angebrachten Vergleich zur ehemaligen Aula der alma mater lipsiensis danebenlegt, stellt die Egeraatsche Ambition einen Gipfelpunkt architektonischer Einfalt mit dem Charme eines Atombunkers dar.

Dies setzt sich in den neuen Außenansichten seines Konglomerates fort. Ästhetische Einfalt ist hier verbunden mit der Armut an Farben, Formen und allgemein – menschlichen Bezügen anspruchsvoller Sinneswahrnehmung. So erscheint das Schinkeltor als Alibiobjekt nur, um die vorgesehenen Scheußlichkeiten seines vorgesehenen Neubaues abzudecken.

Als besonders geschmacklos erweist der Gebäudeteil, wo ehemals das Augusteum stand. Statt durch Architektur und Baukultur zu wirken, ist nur hochkant ein Schild der Universität Leipzig angebracht, das auswechselbar ebenso einen Discountmarkt oder eine Haftanstalt ausweisen könnte.

Die Präsentation unterschlägt völlig sämtliche bereits hinlänglich und sachlich vorgetragenen Punkte der Nichtrealisierbarkeit: Es sind nicht dargestellt die Aufzüge, Treppenhäuser, die Verschattungen, die zusätzlich erforderlichen Brandschutz- und Sicherheitseinrichtungen, die realen Arbeitsbedingungen. Ebenso stellen die bereits bekannten Montagen der inneren Eingangsbereiche nicht die Wirklichkeit dar, die mit Kosten und Folgekosten aufgrund der fragwürdigen Statik, überdimensionierter Glasfenster etc. den dann wieder notwendigen Abriß näher rücken lassen.

Krönung der Präsentation ist eigentlich, daß der Egeraatsche Teil nicht mit dem kompatibel ist, was als „Gasherd“ in der Grimmaischen Straße „zugedeckelt“ werden soll, und daß auch die anderen Bauabschnitte nicht zueinander passig sind.

Wenn man diese fünf Bauabschnitte mit ihren einzelnen Teilen zusammennimmt, entsteht ein geschichtsloser und gesichtsloser Haufen überdimensionierter, unansehnlicher Klötze, die das Prädikat „Vorsätzliche kriminelle Staatsschädigung“ erfüllen.

Einführung von Leistungsnachweisen und Qualitätsmaßstäben

Alle drei erläuterten Fälle hätten mit einem Bruchteil des finanziellen Aufwandes und im gesellschaftlichen Konsens eines demokratischen Rechtsstaates zu konstruktiven wie konsensfähigen Lösungen geführt entgegen den bisher stetig ansteigenden Kosten, dem Verschleiß an Kraft und Ressourcen und weiter sich ausbreitenden Dissens.

Bereits im Juni 2004 wurde die Thematik nach einer Email an Prof. Dr. Georg Milbradt vor Ort im Sächsischen Finanzministerium in Dresden vorgetragen, wobei die Vertreter des Finanzministeriums keine Einsatzmöglichkeit im Bereich des staatlichen Bauens sahen und auf Stadtverwaltungen und Wissenschaft verwiesen.

Tatsache ist aber, daß in allen drei Fällen entsprechende Web3D-Technologien verwendet wurden bzw. genutzt werden konnten und können.

Aus diesem Grunde muß erläutert werden, wie derartige Fehlentwicklungen, Steuermittelverschwendungen und Staatsschädigungen eliminiert werden können.

Alle Projekte dieser Größenordnung, aber auch kleinere, können prüffähig vorgeklärt werden. D.h. mit den genannten Technologien lassen sich Themen komplex erfassen und bearbeiten.

Dazu ist ganz einfach vertraglich festzusetzen, daß erarbeitete Daten und Modelle dem Auftraggeber mit übergeben werden und weiterverwendet werden können. Dies ist insbesondere für komplexe städtische wie anderweitig lokal determinierende Bereiche wichtig, wo bereits umfangreiche vorgeprägte Strukturen vorhanden sind.

Somit können die Daten von allen tangierenden und zu berücksichtigenden Fachämtern, Anliegern oder sonstigen Gremien, die diesbezüglich gefragt sind, eigenständig und unabhängig geprüft, wieder verwendet und ggf. weiter entwickelt werden.

D.h. nur so ist langfristig eine zeitgemäße Infrastrukturplanung möglich, weil gleichzeitig alle tangierenden Interessen erfaßt, berücksichtigt und optimiert werden können.

Dabei ist unerheblich, welches jeweilige CAD-System oder welche Spezialsoftware genutzt wird, da alle standardgemäßen Systeme entsprechende Web3D-Daten problemlos auskoppeln können. Es ist auch nachrangig, ob alle Daten und Modelle online gesetzt werden sollen. Es ist durchaus möglich, Modelle nur in „abgespeckter“ Version öffentlich zu machen, sicherheitsrelevante Details auszusparen oder eben die Detailtreue zu vereinfachen.

Wichtig ist perspektivisch nur, daß die unterschiedlichen Systeme ihre Daten bereits jetzt so aufbereiten und archivieren, daß künftig z.B. auch dreidimensionale Archäologiemodelle mit aktuellen Bauplanungen kombiniert werden können und logistischen Weiterentwicklungen künftig offenstehen. Bei größeren Vorhaben im städtischen Raum ist es sicherlich empfehlenswert, zeitweise eine kleine Taskforce einzurichten, die die Komplexaufbereitung durchführt.

Im Falle der Brücke in Dresden bedeutet das, man hätte die Modelle mit Varianten online verfügbar machen können und sollen, damit alle Beteiligten ihre spezifischen Modelle (der ökologischen Verträglichkeit, der Verkehrsflüsse, des Bau- und Kostenaufwandes, der nachhaltigen Beeinflussung etc.) und Anforderungen austesten. Dies wäre das Vorfeld dafür gewesen, die daraus abgeleiteten Varianten den Dresdner Bürger vorzustellen.

Bevor also die Dresdner Bürger gefragt worden sind, hätte man den Sachstand unter Federführung der zuständigen Ämter und Behörden eben mit zeitgemäßen Mitteln und Methoden abklären müssen, um nach besten Wissen und Gewissen zu handeln.

Im Falle des Leipziger City-Tunnel bedeutet das, daß es (nach wie vor) erst einmal sinnvoll wäre, ein integriertes, dreidimensionales innerstädtisches Untergrund- bzw. Tiefenkonzept zu erstellen. D.h. hier geht es darum, alle Keller- und Grundstücksbereiche der Innenstadt zu erfassen, einschließlich ihrer Wege und Zufahrten, ihrer Belieferung und Frequentierung.

Über diese Modelle ließen sich Ausbauten für Tiefkellerbereiche und Anfahrten optimieren und insgesamt erschließen. Dies wäre dann erst einmal für die Anbindung eines City-Tunnels wichtig gewesen, um potentielle Nutzerinteressen abzustimmen.

Damit hätten sich sicherlich optimalere Aussagen treffen lassen können als das, was bei der nun im Bau befindlichen ambitionierten Buckelpiste realisiert wird. Gleiches gilt für alle Anlagen des City-Tunnels, die vor der Detailplanung in dreidimensionalen Modellen für die Gesamtplanung auf etwaige Gefahrenquellen oder in Frage stellenden Sinnhaftigkeiten weitgehend hätten abgeprüft werden können.

Insgesamt läßt sich hierzu sagen, daß Web3D-Technologien (wie auch Google-Earth zeigt) mehr leisten können als nur die Kalkulation bzw. Prüfung und Veranschaulichung von Planungen. Mit der Verdichtung der Datenbestände kann sicherlich auch im Vorhinein kalkuliert werden, wo sich Eignungen für neue Großprojekte am besten ergeben.

Im Falle der Leipziger Universitätsbauten hätten bereits vor drei Jahren die Modelle des Gesamtgeländes bis auf den Quadratzentimeter genau vorliegen können, so daß jeder Bürger sieht, wie die Wiederbebauungen im Detail aussehen sollen. Jeder davon betroffene Mitarbeiter der Universität Leipzig hätte wissen können, wo sich sein neuer Arbeitsplatz befindet, welchen Ausblick er von seinem Fenster hat und welchen Arbeitsweg er künftig gehen soll etc.

All dieses hätte gerade bei einer Universität im beginnenden 21. Jahrhundert, die Anspruch als Eliteuniversität hegt, im Vorhinein abgeklärt werden müssen, bevor überhaupt mit dem Bau angefangen wird. Gerade wenn es um die wertvollste Bau-, Kultur- und Geistesgeschichte geht, die eine über 800 Jahre alte Innenstadt mit ihren kulturellen und wissenschaftlichen Wurzeln zu bieten hat, ist dies unverzichtbar!

Alle drei Fälle belegen, daß es notwendig ist, rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien im Zusammenspiel mit transparentem Verwaltungshandeln unter Zuhilfenahme zur Verfügung stehender wissenschaftlicher Erkenntnisse (und in diesem Falle Web3D-Technologien) herzustellen.

Um weiteren Schaden vom Freistaat Sachsen abzuwenden, bitte ich Sie, dieses umgehend zu veranlassen.

Meine Bereitschaft zur Mitwirkung und Unterstützung habe ich hiermit erklärt.

Mit freundlichen Grüßen

Wieland Zumpe

***

*Stange, Dr. Eva-Maria, geb. 15.03.1957 in Mainz, 1958 Übersiedlung der Familie in die DDR. SED-Mitglied, 13.09.2006 - 2009 Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, derzeit SPD-Landtagsabgeordnete.

Aus ihrer Dissertation:

"Untersuchungen zur Planung, Führung und Gestaltung des Physikunterrichts unter besonderer Beachtung lernpsychologischer Erkenntnisse mit dem Ziel der bewußten Ausbildung ausgewählter geistiger Handlungen. – Dargestellt am Beispiel der Stoffeinheit „elektromagnetische Induktion“ Klasse 9

zur Erlangung des akademischen Grades Doktor eines Wissenschaftszweiges Dr. paed., eingereicht bei der Fakultät für Pädagogische Wissenschaften des Wissenschaftlichen Rates der Pädagogischen Hochschule „Karl Friedrich Wilhelm Wander“ Dresden

Gutachter : Doz. Dr. Menschel, Prof. Dr. Rutenberg, Prof. Dr. Wendt ,Verfahrensabschluß 05.07.1975, Rektor: Prof. Dr. sc. phil. R. Dau

1. Zum Anliegen der Arbeit

1.1. Schulpolitische Forderungen und pädagogische Konsequenzen

„Die wissenschaftlich-technische Revolution ist eine Herausforderung an die Jugend, an ihre Kräfte und damit an die Qualität des Unterrichts.“ (Honecker, E. 1981, S. 107)

In den vergangenen 6 Jahren nach dem VIII. Pädagogischen Kongreß wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, die von Margot HONECKER formulierten hohen Anforderungen an die pädagogische Praxis und Theorie zu erfüllen. Wir sind uns jedoch bewußt, daß gerade im Bereich der pädagogischen Wissenschaften und der eng damit verbundenen Praxis von heute auf morgen keine Wunder zu Erwarten sind. Mit der vorliegenden Arbeit wollen wir einen Beitrag leisten zur besseren inhaltlichen Ausgestaltung der Oberschule in unserer Republik.

Im Zusammenhang mit dem Tätigkeitskonzept und dem eingangs genannten Zitat sollen folgende Worte Margot HONECKERs stehen:

„Es handelt sich bei der Entwicklung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, der wissenschaftlich-technischen Revolution um einen objektiven Prozeß, der nicht nur etwas mit Produktion zu tun hat. Hier handelt es sich um große soziale Probleme, um Probleme auch der Erziehung, es ist eine neue Anforderung auch an die Schule. Sie muß die Jugend mit hohem Wissen ausrüsten, sie zu schöpferischem Denken, gewissenhafter Arbeit befähigen, ihr die Liebe zur Wissenschaft, hohes Verantwortungsbewußtsein gegenüber Mensch und Natur anerziehen.“ (Honecker, M. 1979, S. 108)

Eine gründliche Analyse zeigt jedoch, „daß noch nicht in jeder Stunde effektiv gelernt wird.“ (Honecker, M. 1979, S. 108)

Mit dem umfassenden Aufbau des Sozialismus stellten sich auch neue Aufgaben für die Bildung und Erziehung der heranwachsenden Generation. So kam es besonders in den sechziger Jahren zu einem Umdenken zur Rolle der Tätigkeit. Gleichzeitig erwies es sich als dringend erforderlich, eine geschlossene marxistisch-leninistische Lerntheorie zu entwickeln. Leider ist dieses Problem bis heute noch nicht gelöst, doch es gibt bereits sehr gute, mehrfach in der Praxis im einzelnen erprobte und bestätigte Aspekte, die einen Beitrag zu einer, in sich geschlossenen, aber nicht abgeschlossenen Lerntheorie leisten können.

Unter sozialistischen Bedingungen wird das Denken immer mehr zum bewußten, schöpferischen Denken. Doch das geschieht nicht im Selbstlauf, nicht ohne die aktive Teilnahme des Menschen. Diese Tätigkeit muß bewußt organisiert werden und alle Voraussetzungen zur erfolgreichen Bewältigung sind herauszubilden. Damit ändert sich gleichzeitig die Rolle des Schülers, er wird durch den Lehrer zum aktiven Mitgestalter des Unterrichts, zum Subjekt seiner Erkenntnis - und Aneignungstätigkeit.

Dabei existiert ein großer Mangel in der derzeitigen Unterrichtspraxis und Methodentheorie. Es ist nicht zu übersehen, daß einige Lehrer intuitiv oder teilweise bewußt ihre Unterrichtsführung so gestalten, daß sie dem Tätigkeitskonzept gerecht werden. Ihr Ziel ist es, jeden Schüler optimal zu entwickeln durch die Erhöhung der geistigen Aktivität der Schüler, durch die bewußte Auslösung von Handlungen beim Schüler. Diese Lehrer führen einen erfolgreichen und effektiven Unterricht. Doch leider müssen wir immer noch feststellen, daß „ein Teil der Schüler naturwissenschaftliche Begriffe nicht sicher, nicht exakt genug beherrscht, … das Verständnis für grundlegende Gesetze oft noch nicht ausreicht und die selbständige Arbeit mit Beobachtung und Experiment noch nicht genügend entwickelt ist.“ (Honecker, M. 1979, S. 94)

Setzen wir diesen Mangel zum eingangs genannten Erfordernis der sozialistischen Gesellschaft – solide, disponible und dauerhafte Kenntnisse – in Beziehung, so liegt der Widerspruch, der auch 6 Jahre nach dem Kongreß noch nicht wesentlich abgebaut werden konnte, klar auf der Hand. Eine Lösung kann es nur über eine grundlegende Änderung der methodischen Gestaltung des Unterrichts geben. Zahlreiche theoretische Erkenntnisse und praktische Erfahrungen liegen seit vielen Jahren bereit und bedürfen einer komplexen Betrachtung und Überführung in die Praxis. Das kann nicht die Aufgabe eines einzelnen Wissenschaftlers oder eines Wissenschaftsbereichs sein. Hier ist die umfassende Zusammenarbeit von Pädagogen, Psychologen, Praktikern und Methodikern notwendig, damit könnten wir vielleicht auch das Problem einer geschlossenen marxistisch-leninistischen Lerntheorie lösen.

Auf dieser Grundlage ist erklärbar, wieso die Überarbeitung der Unterrichtshilfen bzw. die Lehrplankonzipierung einen überaus langen Zeitraum in Anspruch nehmen muß. Einen Unterrichtshilfenautor oder einem Methodikerkollektiv allein ist es nicht möglich, alle derzeit vorhandenen Einzelerkenntnisse, die zur optimalen Gestaltung des Unterrichts beitragen könnten, zu verarbeiten und praktisch nutzbar zu machen. Es kann aber auch umgekehrt nicht nur eine Frage der Intuition oder der praktischen Erfahrung sein. Hier gilt es besonders in der gegenwärtigen Überarbeitungsphase, daß Fachwissenschaftler, Pädagogen, Psychologen, Praktiker und Methodiker eine gemeinsame zielorientierte Konzeption für die Gestaltung des „neuen“ Unterrichts entwerfen und in den zentralen Materialien umsetzen.

Der X. Parteitag der SED stellte die Aufgabe, alle Vorzüge der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule umfassend für die Bildung und Erziehung der Jugend zu nutzen. Erich HONECKER brachte das mit folgenden, sehr weitreichenden Worten zum Ausdruck:

„Das heißt, eine hohe Qualität und Effektivität der pädagogischen Arbeit zu sichern. Die Potenzen des Volksbildungswesens sind noch stärker wirksam zu machen für eine hohe, mit der Praxis verbundene, im Leben wirkende Bildung der Jugend, für die Entwicklung ihres schöpferischen Denkens und Handelns, ihrer Bewußtheit und Aktivität, ihres klassenmäßigen Standpunktes und ihres politisch bewußten Handelns,“ (Honecker, E. 1981. S. 105)

Das Problem, die Effektivität und Qualität des Unterrichts zu erhöhen, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der weiteren Gestaltung unserer entwickelten sozialistischen Gesellschaft.

„Für die moderne Produktion sind Fachleute nötig, die eine gute Allgemeinbildung besitzen und in der Lage sind, ihr Wissen und Können unter den Bedingungen des lawinenartigen Anwachsens des Wissens selbständig zu vervollkommnen. Man hat festgestellt, daß Arbeiter mit einem 10-Klassen-Abschluß sich doppelt so schnell mit neuer Technik vertraut machen können wie andere, die nur sieben Klassen absolviert haben. Ferner sichern sie eine höhere Arbeitsproduktivität und nehmen aktiver an der Leitung der Produktion und deren Rationalisierung teil.“ (Babanski 1979, S. 13)

Nicht ohne Grund wählten wir an dieser Stelle diese aussagekräftigen Worte BABANSKIs aus, der sich bereits seit vielen Jahren mit dem Problem der Optimierung des Unterrichts beschäftigt.

Nun ist das keine neue Erfindung irgendeines Theoretikers, sondern vielmehr eine objektive Notwendigkeit unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Seit dem Bestehen unserer Republik werden jährlich erhebliche Mittel für die materielle und personelle Sicherstellung der Volksbildung bereitgestellt. Wir haben erreicht, daß fast alle Schüler, die die physischen und psychischen Voraussetzungen dazu besitzen, die 10-klassige polytechnische Oberschule besuchen und mit dem Anschluß der 10. Klasse beenden. „Dieses Bildungspotential umfassend zu nutzen, es weiter auszubauen, ist für die Verwirklichung unserer Ziele von wachsender Bedeutung.“ (Protokoll Zentrale Direktorenkonferenz 1982, S. 9) ..."