aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (7668)

geschrieben am 30. Mai 2006 01:52:40:

4.5 Transparenz - Schuld

Nach den bisherigen Erkenntnissen waren an der direkten, generalstabsmäßig angelegten Aktion der Zerstörung der Leipziger Universitätsbauten beteiligt:

Rat des Bezirkes Leipzig

Dieser fungierte als Schaltstelle zwischen dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR, dem Apparat der SED und den Ausführenden zur Umsetzung der Vernichtungsaktion. Hier erfolgten die Absprachen zur Ausführung mit den beteiligten Betrieben wie BMK Süd, VEB Baukombinat Leipzig sowie sämtlicher weiterer notwendig beteiligter Betriebe.

Rat der Stadt Leipzig nebst Verwaltungsapparat, Stadträten und Abgeordneten

Nicht nur die Abgeordneten vollzogen den Akt der Kulturbarbarei, der auf der Stadt bis heute lastet. Es wurden auch Mitarbeiter für die Beaufsichtigung der Geheimaktion rekrutiert. Dies geht bis hin zu der Beteiligung der Verwaltungsspitzen, die vom Turm der Nikolaikirche aus die Sprengung der Universitätskirche St. Pauli verfolgten.

Karl-Marx-Universität Leipzig

Neben der umfangreichen Agitation und Propaganda gehörte die Einschüchterung der Studenten und Mitarbeiter zu den wichtigsten Aufgaben der Kreisleitung der SED der Karl-Marx-Universität. Zudem mußten umfangreiche Maßnahmen ergriffen werden, so daß z.B. Studenten ausgeschaltet wurden, indem sie zur Sprengungszeit zu schriftlichen Arbeiten vergattert und eingeschlossen wurden. Es war also ein universitätsinterner Repressionsapparat vorhanden – den perspektivischen parteitreuen Profiteuren der Sprengung innerhalb und außerhalb der SED.

Wie aus entsprechenden Akten hervorgeht, waren leitende Universitätsmitarbeiter an der Geheimaktion beteiligt. Die Universitätsleitung und ausgewählte Mitarbeiter spielten eine aktive Rolle bei der Vernichtung von Kulturwerten der eigenen Universität.

Selbstverständlich wurde das Ganze ebenso propagandistisch begleitet durch die Lokalpresse, die offensiv die Kulturbarbarei propagierte und die Bürger mit Desinformationen eindeckte.

Die Vorgänge, wer konkret in welchem Zusammenhang beteiligt war bzw. davon wußte, ist bis heute nicht aufgeklärt. Es gab bisher keine einzige unabhängige Untersuchungskommission zur Aufklärung dieses Kulturverbrechens, geschweige denn irgendeine Wiedergutmachung.

Auswärtigen ist damit sicherlich verständlich, daß auf all diesen Ebenen kein Interesse besteht, dieses Verbrechen aufzuklären.

Die SED-Mitglieder, sofern sie nicht speziell IMs waren, sind in den Einrichtungen zum Teil noch bis heute verblieben. Teilweise wechselten sie wie an der Universität Leipzig nur die Bereiche bzw. Verwaltungsposten. Die Netze der Spitzelchargen gemäß Punkt 4.2 können weiter ungestört „wissenschaftlich“ konspirierend auf Staatskosten das Meinungsbild bestimmen.

Es ist nicht Sache dieses Beitrages, ins konkrete Detail zu gehen. Aber die Zusammenhänge gerade für die Geschichtsklitterung in Vorbereitung des Wettbewerbes wird verständlicher, wenn man bedenkt, daß z.B. Kader aus dem ehemals verantwortlichen Rat des Bezirkes Leipzig wieder in neuen Strukturen wie dem Regierungspräsidium, dem Staatshochbauamt u.a. Einrichtungen, möglicherweise auch in Staatsministerien, auftauchten. Um es noch einmal zu betonen, es geht hier nicht darum, jemanden „an sich“ anzuprangern, sondern es ist schlichtweg untragbar, daß damalige Verbrechensbeteiligte und profitierende Mitwisser mit ihrer Haltung erneut Machtmißbrauch betreiben dürfen und geheimdienstliche Nachwendestrukturen wieder weiteren Schaden anrichten und ihre Schuld weiter vergrößern.