Die Leipziger Paulinerkirche - der wichtigste Schnittpunkt der geistlichen, geistigen und kulturellen Geschichte Deutschlands
Als Prof. Günter Blobel obige Formulierung verwendete und sich mit 26 weiteren Nobelpreisträgern im Jahre 2002 für den
originalgetreuen Wiederaufbau der Leipziger Universitätskirche St. Pauli einsetzte, war den meisten Menschen nicht bewußt,
daß dies keine Übertreibung ist.
Über 40 Jahre SED-Diktatur, d.h. über Jahrzehnte währende Bevormundung, die in den 1960er Jahren mit dem expansiven Ziel des
weltweiten Sieges des Sozialismus skrupellos darüber verfügte, was als bürgerliche Kultur liquidiert werden konnte oder bestenfalls
davon als 'humanistisch' zu tolerieren war, hatte in ihrem ideologischen Wahn Unwissen gestreut und für Verblendung gesorgt, deren Saat
nun aufgegangen ist.
Ihre Kader - von Wissenschaftsspitzeln bzw. tschekistischen Gesinnungslumpen, über karrieregeile Professoren und skrupellose Rollenspieler
jeder Art bis zu erpreßbaren Politikern und legendierten SED-Perspektiv'genossen' in allen Parteien - können jubeln,
daß ihre Wünsche in Erfüllung gingen. Bisher wurden über 250 Millionen Euro verpulvert für eine unfertige Betonkiste nebst
Sanierung von unzweckmäßigen DDR-Neubauten, Schrägdachbereichen für Informatik, eine Aquariumsglaswand, die Segregation
von Epitaphien und die Frontalausrichtung assoziierend zu Umbauplänen aus nationalsozialistischen Zeiten, im Nichts sich
auflösende Säulen und helles Sonnenlicht aus dem Norden (wo man vermutlich wie bei den Schildbürgern mit
Säcken Tageslicht hineintragen kann) und und und...
Die Mördergrube in Martin Luthers Sinne hat somit derzeit Bestand und ist mit dem Wirken der aktiven Beteiligten und versagender
Verantwortungsträger ein Symbol für deutsche Vereinigungskriminalität. Nur das historische Inventar stellt in seinem
entstellten Zusammenhang einen Wert dar, den der Betrachter dann wertschätzen kann. Damit dieser beklagenswerte Zustand
aber nicht so bleibt, sondern der Geschichte Gerechtigkeit widerfährt, gibt es ein Projekt, das bereits mit den ersten
intensiveren Beschäftigungen zum Thema der Universitätsgeschichte im Jahre 1999 aufkeimte.
Langzeitprojekt: Wiederherstellung geschichtlicher Kontinuität
Es handelt sich um eine ethische Kernfrage, wie man sich jenen Persönlichkeiten gegenüber verhält, die die Universität
Leipzig über viele Generationen erst zu jenem Ruhm und jener Qualität verhalfen, die sie bis in das beginnende 20. Jahrhunderts hatte.
D.h. man muß stets von ihnen lernen, zeitgeschichtliche Zusammenhänge verstehen und eine entsprechende Achtung und ggf. in manchen Fällen
auch die Ehrfurcht aufbringen zu deren Leistungen in der Wissenschaft wie im alltäglichen Leben. Damit ist zugleich gesagt, daß
Verbrechen keine Grundlage für wissenschaftliches Handeln sein können.
Die 'Karl-Marx-Universität-Leipzig' betrieb aber selbst aktiv die Vernichtung der Paulinerkirche und weiterer Universitätsbauten.
Amtsträger der SED, ihre Block-CDU- u.a. Vasallen und ihre Spitzel bereiteten jahrelang den Boden dafür. Zudem verschwanden
Dokumente aus Bibliotheksbeständen und Archiven. Entscheidend für den Zivilisationsbruch der 'Karl-Marx-Universität-Leipzig'
war jedoch die Beraubung der auf 800 Persönlichkeiten geschätzten Begrabenen in der Leipziger Paulinerkirche am 25. und 26. Mai 1968
und die Verbringung der sterblichen Überreste an einen unbekannten Ort. Damit hatte die SED jeglichen zivilisatorischen Anspruch
verloren. Wenn man zudem konstatieren muß, daß die vergatterten Beteiligten, ihre Mitwisser und Helfershelfer damit nicht nur ihre
Karrieren aufbauten, sondern über Fonds von Raubguterlösen profitiert haben sollen, dann kann man verstehen, warum nach 1989
Schweigeverpflichtungen erneuert wurden, neu hinzukommenden Wissenschaftlern von diesen und weiteren Verbrechen nichts erzählt wurde
und dieser Zustand bis heute nicht nur anhält, sondern daß Aktivitäten wie die von den 27 Nobelpreisträgern
vorsätzlich zunichte gemacht wurden.
Langzeitprojekt: Wiederherstellung geschichtlicher Kontinuität - Paulinerkirche
Das Langzeitprojekt dient daher nicht nur der vollständigen Aufklärung der genannten Raubgrabung und weiterer
krimineller Aktionen an der 'Karl-Marx-Universität-Leipzig', sondern der Sammlung von verlorengegangenen Dokumenten und Materialien.
Bezüglich der Paulinerkirche geht es einerseits um die Wiedersichtbarmachung des Wirkens vieler hunderter Persönlichkeiten in dieser von
Münsterberg über Tetzel, Luther, Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy, Max Reger... bis zur Sprengung im Jahre 1968.
Andererseits geht es vor notwendigen Exhumierungen und umfangreichen Würdigungen aller einzelnen in der Paulinerkirche Begrabenen
um einen Zeitraum bis Ende der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts.
Ohne auf den gegenwärtigen Ermittlungs- bzw. Aufarbeitungsstand einzugehen, mögen die folgenden Beispiele zumindest die
bisher völlig unterschätzte Bedeutung ahnungsweise andeuten. Hierbei geht es ausschließlich um die Sammlung von Originalmaterial und den
Bezug auf historische Originalquellen bei direkt in der Paulinerkirche (bis zum 25./26. Mai 1968) Begrabenen.
Zu dem für seine Ehefrau Luise Adelgunde Victoria Gottschedinn geb. Kulmus
vorgesehenen Epitaph schrieb Johann Christoph Gottsched im Jahre 1763:
'Hier ist die Abbildung des Denkmaales, welches ich ihr
in unsrer akademischen Kirche, über ihrem Begräbnisse
mit dieser Inschrift werde aufrichten lassen:
'LUDOU. ADELG. VICTORIAE
E GENTE KULMIA GEDAN
INGENIO. ARTIBUS. VIRTUTE SCRIPTISQ.
INCLUTAE
CONIUGI SUAUISSIMAE
F. C.
MOESTISSIMUS MARITUS
IO. CHR. GOTTSCHED
NATA GEDANI D. XI APR. MDCCXIII
DENAT A LIPSIAE. D. XXVI IVN.
MDCCLXII.'
Unter und neben diesem sollen dereinst aus meine Gebeine verwesen: so wie sie neben dem Ueberreste unsers
beyderseitigen Freundes, des seligen Professors der Sittenlehre allhier, Johann Friedrich Mayes, ihre Ruhestäte bekommen hat.
Ein glückseligerer Zustand bringe uns durch die Weisheit und Allmacht des gnädigen Urhebers aller Dinge,
dereinst freudig wieder zusammen! Ich schließe mit den Worten, womit ich vor mehr als 35 Jahren, in einem Singgedichte,
den Orpheus seine Euridice habe beklagen lassen:
Du hast mein ganzes Herz besessen,
Hinfort besitzt es keine mehr:
Ich habe mich zu hoch vermessen;
Den Meyneid straft der Himmel sehr.
Du lebest noch in meiner Brust,
Du bist und bleibest meine Lust;
Ich kann und will Dich nicht vergessen:
Du hast mein ganzes Herz besessen,
Hinfort besitzt es keine mehr!'
Rektor Johann Christoph Gottsched
Hunderte weiterer Professoren, Rektoren, Bürgermeister, Gelehrter sowie wichtige Persönlichkeiten fanden
so nebst ihren Frauen bzw. Familienangehörigen über die Jahrhunderte in der akademischen Kirche ihre
Ruhekämmerlein.
Auszugsweise seien hier einige kurz vorgestellt, die im Jahre 2015 inzwischen in die Sammlung von Originalwerken aufgenommen wurden.
Wolfgang Meurer (1513 - 1585)
Den 6 Febr. ist Herr Wolffgang Meurer/ von Altenberg / der Philosophie und Medicin
hochbenahmter Doctor, Therapeutices Professor Publicus, der Medicinischen Facultät Decanus,
des Grossen Fürsten-Collegii Collegiatus, und Vornehmer des Raths allhier/ ein ansehnlicher/
grundgelehrter/ weitberühmter und sowol umb diese Stadt als löbliche Universität
hochverdienter Mann / im 72 Jahre seines Alters/ sanfft und seelig verschieden.
Sein Leichnam ist in die Pauliner-Kirche geleget/ und daselbst Ihm zu Ehren ein
herrliches Epitaphium auffgerichtet worden.
Amadeus Eckolt (1623 - 1668)
AMADEUS Eckolt, Hochberühmter JCti und P. P. des Chur-und Fürstl. Sächs. Ober-Hoffgerichts/
wie auch der Juristischen Facultät Assesoris, und des Kleinen Fürsten-Collegii Collegiati in Leipzig/
In der Pauliner-Kirche Für Volckreicher und ansehnlicher Versammlung/ Den 24. Novembr.
Des zu Ende lauffenden 1668sten Jahrs
abgesegnet/ und darauff der Erden überliefert worden/
Hieronymus Kromayer (1610 - 1670)
HIERONYMO Kromayern, Hochberühmten und die gantze Christliche Kirche wohlverdienten
Doctori Theologo und Prof. Publ. Primario, der Theologischen Facultät Seniori und Decano, der Hohen
Stiffts Kirchen zu Meissen Canonico, und des Capitels wie auch der Meißnerischen Nation Seniori,
des Chru-und Fürstl. Sächs. Consistorii Assessori, des Fürstl. Collegii Collegiato, der Churfl. Stipendiaten
Ephoro und der löbl. Universität Decem Viro &c. in der Ewigkeit auffgesetzet hat/
am Tage seiner Beerdigung/ war der IX. Junii 1670. Jahres/ bey Volckreicher Versammlung
in der Pauliner Kirchen zu Leipzig
Daniel Heinrici (1615 - 1666)
DANIELIS HEINRICI, uff Müglentz/ Weitberühmten Doctoris Theologi, Professoris Publici Primarii in Leipzig &c.
Welcher in seinem Erlöser gar sanfft und selig den 15. Martii dieses 1666. Jahres eingeschlaffen/
darauff den 21 Martii mit Christlichen Ceremonien in der Pauliner Kirchen beygesetzet worden/
Heinrich Höpfner (1582 - 1642)
HEINRICI HÖPFNERI, S S. Theol. Doct. P. P. Primarii , der Theologische Facultet/wie auch der Meißnischen
Nation Senioris, des Churf.Consistorii Assessoris, der Universitet Leipzig Decemviri, des kleinen
Fürsten-Collegii Collegiata und des hohen Stiffts Meißen Canonici und Thesaurarii.
Welcher Anno 1642. den 10. Junii Abends umb 9.Uhr in seinem Eröser CHRISTO JESU sanfft und selig
verschieden/ und den 13. ejusdem mit Christlichen Ceremonien in der Pauliner Kirche begraben worden.
Johannes Michaelis (1606 - 1667)
Johannis Michaelis, der Philosophie und Medicin Hochbenahmten Doctors/ Therapeutices, Professoris
Publici, der Medicinischen Facultät Decani, Academiae Decem. Viri, Deroselben / so wohl der
Sächsischen Nation Senioris, des Kleinen und Grossen Fürsten Collegii Collegiaten / Chur- und Fürst.
Sächs. Hochbestalten Leib Medici, Erb- und Gerichts-Herrns auf Benndorff/
Zu Schuldigem Dienst und Hocherworbenen Ehren
In der Gemeinschaft Aller Beständig Recht Gläubigen und Außerwehlten Kinder Gottes
Nachgehaltene Leichpredigt Bey Dessen Vornehmen HochAnsehnlichen und Volckreichen Begräbniß
zu Leipzig in der Pauliner Kirche / Mittwochs nach dem I. Advent Sonntag den 4. Xbr. 1667
Polycarp Wirth (1609 - 1654)
Polycarpi Wirthens / berühmten JCti und Professoris Publici, des Churfürstl. Sächs.Oberhoffgerichts
zu Leipzig/ und des Landgerichts im Marggraffthum NiederLausitz/ so wol der Juristischen Facultät
allhier Adsessoris, des kleinen Fürsten-Collegii Collegiatens, und des hohen Stiffts Naumburg Canonici,
Als welcher a, 27. Septemb. durch ein plötzliches, doch sanfft und seliges Ableiben entseelet/
und den 1. Octobris drauff zu seinem Ruhebettlein in die Pauliner Kirchen begleitet worden.
Friedrich Kühlewein (1606 - 1663)
D. Friederich Kühleweins auff Raschwitz fürnehmen Juris-Consulti,
Churfl. Durchl. zu Sachsen wohlbestallten Appelation-Raths / und Besitzers der Löblichen Juristen
Facultät und Schöppen-Stuels zu Leipzig / auch um diese Stadt und Gemeines Wesen
Hochwohlverdienten Aeltesten Bürger-Meisters Seligen
in der Pauliner Kirchen daselbsten durch eine gewöhnliche Leichen-Predigt in aller Einfalt vorgetragen
Den 26. Maji Anno 1663. Bey Christlicher und ansehnlicher Leichen-Bestattung
Matthäus Dresser (1536 - 1607)
Den 5 Oktob. ist D. Matthaeus Dresserus, von Erfut / Latinae Linguae und Historiarum
weltberühmter Professor Publicus allhier / der Philosophischen Facultät Senior, und der Academie
Decem-Vir, im 71 Jahre seines Alters / sanfft und seelig verschieden /
und in die Pauliner-Kirchen beerdigt worden.
Quirinus Schacher (1597 - 1670)
Quirin Schachers / Weitberühmten JCti und Prof. Publ. Churfl. Durch. zu Sachsen hoch-bestalten
Appellations-Raths/ des Chur und Fürstl. Sächs. Consistorii, wie auch der Juristen-Facultät allhier
wohlverdienten Senioris, der Bischöfflichen Kirchen zu Naumburg Canonici, und der löbl. Academie Decem-Viri
Welcher den 14. Junii halb Eilff Uhr zu Mittage dieses lauffenden 1670sten Jahres seinen gantzer
72. Jahr/ 7. Monath/ 2. Wochen und 2. Tage in sich fassenden Lebens-Lauff rühmlich geendet/
und den 20.dito in der Pauliner-Kirchen zu seiner Ruhestete gebracht worden/
Philipp Adolph Walther (1622 - 1664)
PHILIPPI ADOLPHI Walthers/ Beyder Rechten vornehmen Doctoris, in der löblichen Juristen
Facultät zu Leipzig gewesen Assessoris und Beysitzers / und berühmten Practici seligen/
Den 10. August des 1664. Jahres in der Pauliner Kirchen
Bey Christlicher und Volckreicher Leichen-Bestattung
Caspar von Barth (1587 - 1658)
Caspar von Barth / Eines Rittermäßigen / und umb die Studia hochverdienten Mannes /
als er noch Gottes Willen / im 71. Jahr seines Alters / auff dem Pauliner-Collegio zu Leipzig/
am 18. Septembris/ im Jahre Christi 1658. in waaren Glauben auff das Verdienst Christi
Jesu selig eingeschlaffen/ den 6. Octobris drauff in gemeldter Kirchen
Christlich und Standmäßig begraben worden.
Matthias Berlich (1586 - 1638)
Matthiae Berlichi, Off Benndorff / Beyder Rechten Doctoris und weitberühmten Jure-Consulti,
welcher den 8 August. des 1638. Jahrs in wahrer Erkäntnüs seines Erlösers Christi Jesu
selig entschalffen/un den folgenden 10.ejusd.mit Christlichen Ceremonien/bey volckreicher Versammlung/
in der Pauliner Kirchen/in sein Ruhebettlein beygesetzt worden.
Christoph Preibisius (1580 - 1651)
Christoph Preibisius/ beyder Rechte Doctor der Röm. Kays. Maj. gefreyeter Hoff- und Pfaltz-Graf /
der löblichen Juristen Facultät allhier und des Frauen Collegii Senior, sodann auch Physicae
Professor Publicus, und dazumals Rector bey der Universität allhier im 71 Jahr seines Alters
verschieden.
Dieses ist der erste Rector, welcher in seiner Administration des Rectorats
gestorben / dergleichen von Anfang dieser löblichen Universität / so selbiger Zeit über 240 Jahr
gestande/ und da es allzeit geheissen: Rector non moritur, noch niemals geschehen.
Folgendes Tages ward angefangen in der Pauliner Kirche und in denen Collegiis umb 12 Uhr
biß 1 Vierthel auff 1 Uhr mit allen Glocken zu läuten. Den 7 dieses ward der verblichene Cörper
in angelegten Rector Habit / in der Pauliner Kirchen mit grossen Solennitäten beerdigt.
Insbesondere werden Nachweise in Form von Chroniken, Publikationen, Abbildungen und sonstigen Dokumenten gesucht.
Dies trifft besonders für Porträts der weiblichen Familienangehörigen zu, deren in einer Vielzahl von Leichpredigten gedacht wurde.
Sollten sich Dokumente bzw. Unterlagen anfinden, die einem der hier genannten Fälle widersprechen oder
sollten sich sonstige Fehler (unabhängig der historischen Schreibweise) eingeschlichen haben, bitte ich um Ihre freundliche Mitteilung.
Weiterführende Informationen:
Allgemeine Grundinformationen zur Paulinerkirche
Laufende Sammlungen, nicht nur zu den in der Paulinerkirche Begrabenen (Schriften, Leichenpredigten u.a.)
Zeugenaufrufe - u.a. zu Raubgrabungen der SED in Leipzig
Das 2015 geschaffene Modell vor dem geschichtsfälschenden Menetekel
Stand 27.02.2016
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