Leipzig
Einleitung
Genius loci
Governanz
Vielfalt
Umwelt
Funktionalität
Kontext
Schönheit
Universität
Wirtschaft
Gründe
Maßstab Europa

Baukultur für Leipzig

gemäß der Declaration von Davos 2018



Hohe Baukultur für Leipzig - 2025

2. Genius loci


Unverwechselbarkeit, Authentizität und Identität

In den zurückliegenden Jahren wurden tausende Bilddokumente zum Thema Leipzig bereitgestellt,
wobei das Augenmerk darauf gerichtet war, sozusagen die kaum mehr bekannte Qualität und
Bandbreite der Leipziger Baukultur aufzubereiten. Dies war kein Versehen, sondern den Folgen der
zweiten deutschen Diktatur geschuldet, wo SED und Stasi versuchten, bürgerliche Kultur
auszulöschen und vollständig durch sozialistischen Neubau zu ersetzen.

Daß Bertolt Brecht mit dem Text des Aufbauliedes der FDJ „Keiner plagt sich gerne“ im Jahre 1948
allein die zerstörte Stadt Berlin im Blick hatte, als er formulierte:

„Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut!
Um uns selber müssen wir uns selber kümmern,
und heraus gegen uns, wer sich traut.“

wurde geflissentlich negiert.

Es war folglich ein unkultivierter Mob der SED-Führungen der Stadt, des damaligen Bezirkes Leipzig und der DDR-Regierung,
der glaubte, mit einen neuen kommunistischen Menschen u.a. mit Neuem, alles bisher Existierende an Bauwerken übertrumpfen
zu können. Dies ging einher mit Verwahrlosung, Abriß und Zerstörung von teils kriegsbeschädigten,
aber wichtigen Bauwerken wie dem zweiten Gewandhaus, dem Bildermuseum, der Johanniskirche, Deutrichs Hof und vieler
weiterer das Antlitz der Stadt prägender Bauwerke. Zum Abriß bestimmte Gebäude wie im Musikviertel wurden ausgeschlachtet.
Und Kritiker dieser Barbarei wie Regimegegner wurden vertrieben.

D.h. hier ging und geht es um die gezielte Vernichtung städtischen Kulturerbes und Kulturgutes, die bis heute weiter wirkt!
Als ich in Vorbereitung des 250-jährigen Orchesterjubiläum 1993 die Geschichte des Gewandhauses und des Mendelssohn-Hauses
aufzuarbeiten begann, schrieb ich an die Abteilung Kultur des Rates der Stadt Leipzig am 19. Mai 1987 u.a.:

„Allerdings existieren ernsthafte Probleme, die das Stadtarchiv betreffen. Nach bisherigen Aussagen von Herrn Künn
wurde zu folgenden Dingen nichts gefunden:

1. Bauakten der Goldschmidtstraße 2/10 (und Bauakten
anderer nicht mehr existierender Gebäude der Roßstraße)

2. 6.000 Glasnegative (13 x l8 cm) = 3 - 4 Schränke
(Fotoarchiv der alten Stadtplanung, was etwa 1958 ins Stadtarchiv kam)

3. Fotos und Stiche (teilweise handsigniert) von berühmten Interpreten und Komponisten, die vom Gewandhaus
(damals noch ohne Möglichkeiten sicherer Aufbewahrung) in den 60er Jahren in das Stadtarchiv kamen.

4. Ansichten der Straßenzüge Goldschmidtstraße, Roßstraße, Nürnberger Straße, Inselstraße, Scherlstraße.“

Den damals existierenden Bestand konnte sogar Prof. Manfred Unger bestätigen.

Weder im Jahre 1987 noch später gab es in der Leipziger Rathausverwaltung Prüfungen, Bestandskontrollen, Untersuchungen,
Transparenz und Aufklärung. Auch als ich die ersten Beispiele von Vergleichen zur Ausstellung „Stadtgeschichten“
im Jahre 1998 im Stadtgeschichtlichen Museum mit dem Beitrag „Leipzig vor Augen“ vorlegte, geschah praktisch nichts.



Schulze-Delitzsch-Straße 6 in den Jahren 2013, 1996 und 1910



Sophienplatz 9 in den Jahren 2013, 1996 und 1910



Mozartstraße 5 im Jahre 2013 und 1910




Nonnenmühlgasse 2 im Jahre 2014 und 1913


Um es noch einmal explizit herauszustellen: Keine Stadt und keine Kulturnation kann es sich leisten, ein Kulturerbe
und einen Kulturschatz, der über Jahrzehnte (oder in diesem Falle den Zeitraum der Photographie überspannend)
systematisch und mühevoll erarbeitet wurde, einfach wegzuschmeißen.

Gerade nach 1989 hätte der einmalige Schatz der Alten Stadtplanung bereitstehen müssen, um den Übergang
zur Rettung von Bausubstanz und städtebaulicher Strukturen zeitlich möglichst kurz und damit den Aufwand
gering zu halten.

Gerade das passierte nicht!

Bis heute fehlt jede Spur, auf welche Deponie unverzichtbares wie grundlegendes Kulturgut der Stadt Leipzig verbracht
wurde. Es ist nicht aufgeklärt, was in der Verwaltung der Stadt Leipzig an wertvollem Bestand an Kulturgut verschwand
oder vernichtet wurde und welche Personen dafür die Verantwortung trugen.


Letzte Aktualisierung 18.02.2025 Alle Dokumente Sammlung Wieland Zumpe, Leipzig. Kontakt, Fragen, Hinweise, Fehlerkorrekturen und Copyright © 1999-2025 Email: bach(at)paulinerkirche.org